AMK-Infos im 1. Halbjahr 2011
Regelmäßig veröffentlicht die Geschäftsstelle der AMK Listen ihrer Nachrichten aus dem letzten Halbjahr mit dem Titel, der PZ-Fundstelle und dem Grund der Veröffentlichung (siehe Tabelle im Serviceteil dieser Print-Ausgabe). Die folgende Zusammenfassung gibt in Kürze die AMK-Nachrichten wieder, die längerfristig von Bedeutung sein können. In dieser Zusammenfassung tauchen wiederholt europäische Institutionen (und deren Abkürzungen) auf, die in der Pharmakovigilanz eine Rolle spielen. Sie werden im Folgenden kurz erklärt:
- Die Europäische Arzneimittelagentur oder European Medicines Agency (EMA) in London ist verantwortlich für die wissenschaftliche Bewertung von Zulassungsanträgen für Arzneimittel, die in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht werden sollen. Die EMA überwacht die Sicherheit dieser Arzneimittel und ergreift nötigenfalls Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit. Die Arzneimittelzulassungen werden durch die Europäische Kommission oder European Commission erteilt, geändert oder widerrufen.
- Der Ausschuss für Humanarzneimittel oder Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der EMA erarbeitet die Stellungnahmen (“opinions”) der EMA zu allen Fragen in Zusammenhang mit Humanarzneimitteln.
- Die Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe oder Pharmacovigilance Working Party (PhVWP) erarbeitet Empfehlungen zu Fragen der Pharmakovigilanz und zur Arzneimittelsicherheit für den CHMP sowie für die nationalen Arzneimittelbehörden der EU-Mitgliedsstaaten.
Maßnahmen der Arzneimittelbehörden Im Februar gab das BfArM bekannt, dass in die Produktinformationen aller Phenytoin-haltigen Arzneimittel zusätzliche Warnhinweise zum Risiko des Ste-vens-Johnson-Syndroms bei Bevölkerungsgruppen südostasiatischer Herkunft auf-genommen werden sollen. Diese Änderungen sollen durch ein Stufenplanverfahren (Stufe II) angeordnet werden. Die Neubewertung dieses Risikos erfolgte durch die PhVWP (Pharm. Ztg. Nr. 6 vom 10. Februar, Seite 113). Das BfArM ordnete in einem Stufenplan (Stufe II) vom CHMP erarbeitete Maßnah-men zur Risikominimierung bei Ketoprofen-haltigen Arzneimitteln zur topischen Anwendung an. Die betroffenen Hersteller hatten Gelegenheit zur Klage. In den Produktinformationen soll künftig intensiv vor Photosensibilitäts- und Überempfind-lichkeitsreaktionen gewarnt werden. Umfassende Vorsichtsmaßnahmen sollen in die Produktinformationen aufgenommen und die Information der Heilberufe über das Risiko der Photosensibilisierung intensiviert werden. Außerdem ist geplant, Ketoprofen-haltige Arzneimittel zur kutanen Anwendung der Verschreibungspflicht zu unterstellen (Pharm. Ztg. Nr. 9 vom 3. März, Seite 119). Die PhVWP bewertete das Risiko für QT-Zeit-Verlängerungen durch Fluorchinolone (Gyrasehemmer) differenziert: Die Fluorchinolone wurden in drei Risikogruppen eingeteilt: solche mit offensichtlichem Potenzial (Moxifloxacin), solche mit geringem Potenzial (Levofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin, Ciprofloxacin) und mit sehr geringem oder auf Grund unzureichender Daten unbekanntem Potenzial (Enoxacin, Lomefloxacin). Der CHMP, die PhVWP und das BfArM hielten die Aufnahme entsprechend abgestufter Hinweise in die Produktinformationen für erforderlich. Den pharmazeutischen Unternehmern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt (Pharm. Ztg. Nr. 13 vom 31. März, Seite 121). Im März setzte das BfArM mit einem Stufenplanbescheid (Stufe II) einen Beschluss der EU-Kommission um, wonach Fenofibrat, Bezafibrat und Gemfibrozil nur noch als Mittel der zweiten Wahl in Frage kommen. Trotz der langen Marktpräsenz von Fibraten lägen nur begrenzte Belege für ihren Langzeitnutzen bei der Primär- und Sekundärprävention von kardiovaskulären Krankheiten vor. Zusätzlich sollen Patientengruppen angegeben werden, die wahrscheinlicher von der Behandlung mit diesen Fibraten profitieren. Die pharmazeutischen Unternehmer hatten Gelegenheit, Klage gegen den Bescheid zu erheben. (Pharm. Ztg. Nr. 14 vom 7. April, Seite 115) . Ebenfalls auf Grund eines Beschlusses der EU-Kommission schränkte das BfArM mit einem Stufenplanbescheid (Stufe II) die Indikationen Modafinil-haltiger Arzneimittel (z. B. Vigil®) auf die Anwendung bei Erwachsenen mit exzessiver Schläfrigkeit, mit Narkolepsie und mit oder ohne Kataplexie ein. Außerdem sind Angaben zu Haut- und Überempfindlichkeitsreaktionen sowie zu neuropsychiatrischen und kardiovaskulären Ereignissen in die Produktinformationen aufzunehmen. Nicht eingestellte Hypertonie und Herzrhythmusstörungen sind als Gegenanzeigen aufzunehmen. Aus den Produktinformationen soll hervorgehen, dass Modafinil zur Anwendung bei Kin-dern und Jugendlichen sowie während Schwangerschaft und Stillzeit nicht empfohlen wird. Der pharmazeutische Unternehmer hatte Gelegenheit, gegen den Bescheid zu klagen (Pharm. Ztg. Nr. 12 vom 24. März, Seite 123). Einer Pressemitteilung der EMA zufolge betrachtet der CHMP atypische Femur-Frakturen, die als seltene UAW vorkommen können, nun als Klasseneffekt der Bisphosphonate. Das Nutzen/Risiko-Verhältnis der Bisphosphonate in der Präven-tion und der Behandlung von Knochenkrankheiten werde weiterhin positiv einge-schätzt. Eine Warnung vor atypischen Femur-Frakturen in den Produktinforma-tionen aller Bisphosphonate sei aber erforderlich (Pharm. Ztg. Nr. 17 vom 28. April, Seite 97). Der CHMP empfahl, den Vertrieb oraler Buflomedil-haltiger Arzneimittel wegen schwerwiegender neurologischer (Krampfanfälle, Status epilepticus) und kardiovas-kulärer Effekte (Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand) einzustellen. Diese traten vor allem bei Überdosierung auf. Die Nutzen-Risiko-Bewertung der Buflomedil-Injektionslösung steht noch aus. Die entsprechenden Fertigarzneimittel wurden zurückgerufen (Pharm. Ztg. Nr. 21 vom 26. Mai, Seite 129). In einem Stufenplanverfahren (Stufe II) zu Antiepileptika forderte das BfArM die Aufnahme von Warnhinweisen zu suizidalem Verhalten und Suizid in die Produktinformationen. Die pharmazeutischen Unternehmer konnten innerhalb eines Monats Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Betroffen waren Carbamazepin, Valproinsäure, Felbamat, Gabapentin, Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat, Oxcarbazepin, Tiagabin, Vigabatrin, Clobazam, Clonazepam, Ethosuximid, Mesuximid, Phenytoin, Primidon, Sultiam und Kaliumbromid. Studien, Spontanberichte und Literaturdaten zeigten ein leicht erhöhtes Risiko für das Auftreten von suizidalen Gedanken und suizidalem Verhalten im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Antiepileptika (Pharm. Ztg. Nr. 16 vom 21. April, Seite 95). Das BfArM empfahl im Juni, keine neuen Patienten auf das Antidiabetikum Pioglitazon (Actos®, Competact®, Tandemact®) einzustellen. Eine durch die französische Gesundheitsbehörde initiierte epidemiologische Studie zeigte ein signifikant leicht erhöhtes Risiko für Blasentumore. Auch die Zwischenauswertung einer Fall-Kontrollstudie in den USA hatte 2010 ein tendenziell erhöhtes Blasen-krebsrisiko ergeben, das mit der Dosis und der Dauer der Behandlung anstieg und nach 24 Monaten signifikant wurde. Die Hazard Ratio beider Studien lagen in der gleichen Größenordnung. Die EMA wird alle vorhandenen Daten eingehend prüfen (Pharm. Ztg. Nr. 24 vom 16. Juni, Seite 83). Die Zulassungen für Arzneimittel mit den Opioiden Morphin, Oxycodon und Hydromorphon änderte das BfArM in Umsetzung eines Beschlusses der EU-Kommission durch ein Stufenplanverfahren (Stufe II). In den Produktinformationen soll durch vorgegebene Formulierungen vor der gleichzeitigen Einnahme von Alkohol gewarnt werden. Die gleichzeitige Einnahme mit Alkohol kann die pharmakodynamischen Effekte der Opioide verstärken. Gegen diesen Bescheid können die betroffenen Hersteller innerhalb eines Monats Klage erheben (Pharm. Ztg. Nr. 24 vom 16. Juni, Seite 84).
Das BfArM kündigte im Juni an, dass die Indikationen „gonorrhoische Urethritis“ (verursacht durch Neisseria gonorrhoea) und „Ulcus molle“ (verursacht durch Haemophilus ducreyi) wegen der aktuellen hohen Resistenzrate gegenüber der Wirkstoffkombination Cotrimoxazol (Trimethoprim/Sulfamethoxazol) beziehungsweise der unzureichenden klinischen Wirksamkeit gestrichen werden sollen. Die Pharmazeutischen Unternehmer erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme (Pharm. Ztg. Nr. 26 vom 30. Juni, Seite 105).
Rote-Hand-Briefe und weitere Informationen von pharmazeutischen Unternehmern In Abstimmung mit den Behörden informierte die Celgene GmbH durch einen Rote-Hand-Brief über ein erhöhtes Risiko für venöse und arterielle thromboembolische Ereignisse (einschließlich Myokardinfarkte und zerebrovaskuläre Ereignisse) bei Patienten mit multiplem Myelom, die mit Lenalidomid (Revlimid®) in Kombination mit Dexamethason behandelt werden. Alle beeinflussbaren Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse wie Rauchen, Hypertonie oder Hyperlipidämie sollen minimiert werden. Die Entscheidung für eine Thromboseprophylaxe soll für jeden Patienten individuell und nach sorgfältiger Beurteilung der zugrunde liegenden Risikofaktoren getroffen werden. Die Fachinformation wurde entsprechend überarbeitet (Pharm. Ztg. Nr. 1 vom 6. Januar, Seite 93). Die Gilead Sciences GmbH erinnert in Abstimmung mit den Behörden durch einen Rote-Hand-Brief daran, dass Vistide® (Cidofovir) in der EU nur zur Behandlung der Cytomegalievirus-Retinitis bei Erwachsenen mit AIDS und ohne renale Dysfunktion zugelassen ist. Ein zunehmender Gebrauch von Cidofovir außerhalb der zugelassenen Anwendung wurde beobachtet. Die häufigsten und schwerwiegendsten Nebenwirkungen, die in nicht zugelassenen Anwendungen gemeldet wurden, waren Nephrotoxizität, toxische Wirkungen am Auge und Neutropenie, was dem Sicherheitsprofil von Cidofovir entspricht. Ein positives Nutzen-Risiko-Profil von Cidofovir bei der Behandlung anderer Erkrankungen als der CMV-Retinitis bei Erwachsenen mit AIDS ist nicht belegt (Pharm. Ztg. Nr. 3 vom 20. Januar, Seite 127). Über seltene, aber potenziell schwerwiegende eosinophile Pneumonien in Zusam-menhang mit der Anwendung des Antibiotikums Daptomycin (Cubicin®) informierte Novartis durch einen Rote-Hand-Brief. Die häufigsten Symptome einer eosinophilen Pneumonie sind Husten, Fieber und Dyspnoe. In schweren Fällen kann eine hypoxische respiratorische Insuffizienz auftreten, die eine künstliche Beatmung erfordert. Die Fachinformation wurde aktualisiert. Insgesamt bleibe die Nutzen-Risiko-Bewertung von Cubicin® in den zugelassenen Indikationen positiv (Pharm. Ztg. Nr. 4 vom 27. Januar, Seite 113). Sanofi-Aventis informierte in Abstimmung mit den Behörden durch einen Rote-Hand-Brief über schwere Leberschäden, die unter Behandlung mit dem Antiarrhythmikum Dronedaron (Multaq®) auftraten. Bei Patienten, die mit Dronedaron behandelt werden, sollen daher regelmäßig Leberfunktionstests durchgeführt werden. Patienten sollen bei Symptomen, die auf eine Leberschädigung hindeuten wie anhaltende Oberbauchbeschwerden, Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Unwohlsein, Ermüdung, Gelbsucht, dunkler Urin oder Juckreiz sofort den Arzt kontaktieren. Die Produktinformationen wurden angepasst (Pharm. Ztg. Nr. 4 vom 27. Januar, Seite 113). Die Firma Schülke & Mayr GmbH informierte zum wiederholten Mal durch einen Rote-Hand-Brief über Risiken des nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Octenisept® (Octenidindihydrochlorid, Phenoxyethanol): Ödematöse Schwellungen und Gewebeschädigungen können nach Wundspülungen unter Druck auftreten. Octenisept® darf nicht unter Druck ins Gewebe gebracht beziehungsweise injiziert werden. Bei Wundkavitäten muss ein Abfluss jederzeit gewährleistet sein (Pharm. Ztg. Nr. 5 vom 3. Februar, Seite 95. Sanofi-Aventis verzichtete auf die Zulassung von Anemet® Ampullen (Dolasetron) und stellte auch den Vertrieb der oralen Darreichungsformen von Dolasetron ein. Der 5-HT3-Rezeptorantagonist Dolasetron wurde gegen Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika sowie durch Operationen eingesetzt. Er kann Herzarrhythmien durch Verlängerung des QT-Intervalls hervorrufen (Pharm. Ztg. Nr. 7 vom 17. Februar, Seite 119, und Nr. 17 vom 28. April, Seite 98). Die Firma Pfizer Pharma GmbH informierte in Absprache mit den Behörden durch einen Rote-Hand-Brief über eine erhöhte Mortalität in klinischen Studien mit Tigecyclin (Tygacil®). In den Studien zu komplizierten Haut- und Weichgewebsin-fektionen und komplizierten intraabdominellen Infektionen verstarben 2,3 Prozent der Patienten unter Tigecyclin und 1,5 Prozent der Patienten unter Vergleichsmedikationen. Die Ursachen hierfür sind bisher nicht bekannt, aber eine schlechtere Wirksamkeit und Sicherheit kann nicht ausgeschlossen werden. Tygacil® soll daher nur dann angewendet werden, wenn bekannt ist oder vermutet wird, dass andere Antibiotika nicht geeignet sind. Die Fachinformation und der Risiko-Management-Plan für Tygacil® wurden entsprechend überarbeitet (Pharm. Ztg. Nr. 12 vom 24. März, Seite 123). Die Firma Celgene GmbH informierte in Abstimmung mit den Behörden über eine höhere Inzidenz an primären Zweittumoren bei Patienten, die in klinischen Studien außerhalb der zugelassenen Indikation mit Lenalidomid (Revlimid®) behandelt wurden. Auf Grund dieser Beobachtung wird derzeit das Nutzen-Risiko-Verhältnis in der zugelassenen Indikation vom CHMP überprüft. Derzeit gibt es keine Empfehlung die Anwendung von Lenalidomid bei Patienten, die in der zugelassenen Indikation behandelt werden zu ändern. Die Anwendung in nicht zugelassenen Indikationen wird nicht empfohlen (Pharm. Ztg. Nr. 14 vom 7. April, Seite 115). Die Firma Celgene GmbH informierte durch einen mit den Behörden abgestimmten Rote-Hand-Brief über Thromboembolien (einschließlich Myokardinfarkte und zerebrovaskuläre Ereignisse) in Zusammenhang mit Thalidomide Celgene (Indikation: in Kombination mit Melphalan und Prednison für die Erstlinienbehandlung von Patienten mit unbehandeltem multiplem Myelom ab einem Alter von 65 Jahren bzw. Patienten, für die eine hochdosierte Chemotherapie nicht in Frage kommt). Meist lagen Risikofaktoren für Thromboembolien vor. Alle beeinflussbaren Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse wie Rauchen, Hypertonie und Hyperlipidämie sollen daher minimiert werden. Wird eine Behandlung mit Thalidomid erwogen, sollen das individuelle venöse und arterielle Thromboserisiko sowie die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe berücksichtigt werden. Die Produktinformationen wurden aktualisiert (Pharm. Ztg. Nr. 17 vom 28. April, Seite 97). Die Amgen GmbH informierte durch einen mit den Behörden abgestimmten Rote-Hand-Brief über seltene Fälle von schwerwiegender Keratitis und ulzerativer Keratitis in Zusammenhang mit Panitumumab (Vectibix®). Diese unerwünschten Wirkungen können das Sehvermögen dauerhaft schädigen. Patienten, bei denen sich während der Behandlung mit Vectibix® akute oder sich verschlechternde Anzeichen und Symptome einstellen, die auf eine Keratitis hindeuten, wie Entzündungen und Schmerzen am Auge, verstärkte Tränensekretion, Lichtempfindlichkeit, verschwommenes Sehen, gerötetes Auge sollen umgehend einen Augenarzt aufsuchen. Die Fachinformation wurde aktualisiert (Pharm. Ztg. Nr. 20 vom 19. Mai, Seite 116). Auf das erhöhte Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse (VTE) bei Drospirenon-haltigen oralen Kontrazeptiva (Yasmin®) wies das BfArM im Juni hin (Pharm. Ztg. Nr. 23 vom 9. Juni, Seite 121). Die VTE-Häufigkeit bei Anwenderinnen ohne Risikofaktoren unter kombinierten oralen Kontrazeptiva mit niedrigem Estrogengehalt (<50 ?g Ethinylestradiol) liegt bei etwa 20 Fällen pro 100 000 Frauenjahre für Levonorgestrel und bei bis zu 40 Fällen pro 100000 Frauenjahre für Desogestrel oder Gestoden. Im Vergleich dazu beträgt die Häufigkeit unter den Nichtanwenderinnen 5 bis 10 Fälle pro 100 000 Frauenjahre und ca. 60 Fälle pro 100 000 Schwangerschaften. Eine Neubewertung durch die PhVWP ergab, dass die Anwendung Drospirenon-haltiger Kontrazeptiva mit einem höheren VTE-Risiko verbunden ist als die Anwendung Levonorgestrel-haltiger Kontrazeptiva und dem VTE-Risiko Desogestrel- oder Gestoden-haltiger Kontrazeptiva etwa entspricht. Die Produktinformationen der Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wurden aktualisiert.
Informationen der AMK Vor dem im Internet beworbenen Melanotan (INN Afamelanotid) warnte die AMK im März (Pharm. Ztg. Nr. 10 vom 10. März, Seite 114). Melanotan ist ein synthetisches Derivat des körpereigenen Melanozyten-stimulierenden Hormons und wird zur Hautbräunung, Gewichtsreduktion, Steigerung der Libido und gegen Potenzstörungen angepriesen. Produkte zur subkutanen oder zur nasalen Applikation werden angeboten, die sämtlich nicht als Arzneimittel zugelassen sind. Das Immun- und das Herz-Kreislauf-System können geschädigt werden; Erbrechen, hoher Blutdruck und Rötungen im Gesicht wurden als unerwünschte Wirkungen beschrieben. Bestehende Muttermale können dunkler werden, was die Diagnose von Melanomen erschwert. Nach der Reaktorkatastrophe in Japan riet die AMK von einer Iodblockade in Deutschland ab, da hier keine Belastung durch radioaktives 131I gegeben war (Pharm. Ztg. Nr. 11 vom 17. März, Seite 124). Die Einnahme kann sogar schädlich sein. Die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden haben Kaliumiodidtabletten bevorratet. Diese werden bei Bedarf an die Bevölkerung ausgegeben und dürfen erst nach behördlicher Aufforderung eingenommen werden. Die Dosis für Erwachsene beträgt in der Regel einmalig 130 mg Kaliumiodid. Diese Dosierung unterscheidet sich um mehrere Zehnerpotenzen von der Dosierung zur Iodsubstitution (100-200 µg täglich). Vor der Selbstmedikation bei Anzeichen für eine Infektion mit enterohämorrhagischen Escherichia-coli-Bakterien (EHEC) warnte die AMK im Juni (Pharm. Ztg. Nr. 24 vom 16. Juni, Seite 83). Patienten mit blutigem Durchfall ist ein Arztbesuch dringend zu empfehlen. Während der Infektionswelle im Mai/Juni wurden einige ungeeignete nicht verschreibungspflichtige Präparate beworben. Es gibt Hinweise darauf, dass unter Motilitätshemmern wie Loperamid das Risiko eines hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) erhöht ist, möglicherweise weil sie Absorption der EHEC-Toxine begünstigen.
Arzneimittelverkehr Zum 1. März 2011 trat die Zehnte Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung in Kraft (Pharm. Ztg. Nr. 10 vom 10. März, Seite 113). Für Heilpraktiker wurden Ausnahmen von der Verschreibungspflicht für Dexamethason und Epinephrin für die Notfallbehandlung schwerer anaphylaktischer Reaktionen beim Menschen nach Neuraltherapie bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes eingeführt:
- Dexamethasondihydrogenphosphat zur einmaligen parenteralen Anwendung in wässriger Lösung in Ampullen/Fertigspritzen mit 40 mg Wirkstoff und bis zu maximal 3 Packungseinheiten und
- Epinephrin-Autoinjektoren in Packungsgrößen von einer Einheit zur einmaligen parenteralen Anwendung.
Heilpraktiker sollen in der Apotheke ihre „Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung“ sowie ihren Personalausweises vorlegen und den Anwendungszweck angeben, um die Arzneimittel verschreibungsfrei persönlich zu erwerben.
Zum 1. Mai 2011 wurde Pseudoephedrin in Packungen mit mehr als 720 mg Wirk-stoff verschreibungspflichtig, weil zunehmend beobachtet worden war, dass Pseudoephedrin aus Fertigarzneimitteln zurück gewonnen und für die illegale Her-stellung von Amphetamin-Derivaten verwendet wurde.
Über Änderungen in der Betäubungsmittelgesetzgebung zum 18. Mai 2011 in-formierten wir in der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 21 vom 26. Mai, Seite 129: Can-nabisharz in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind, wurde in Anlage III des BtMG (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen. Parallel dazu wurde Cannabis zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken in Anlage II (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) eingefügt. Cannabis soll nur in Fertigarzneimitteln verkehrsfähig sein, die unter den strengen Vorgaben des Arzneimittelrechts zugelassen sind. Diese Fertigarzneimittel müssen auf BtM-Rezepten verschrieben werden. Ein Fertigarzneimittel mit Cannabis-Extrakt zur Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose ist seit 1. Juli im Handel. In Anlage III werden bei Flunitrazepam (z. B. Rohypnol®) die ausgenommenen Zubereitungen mit 1 mg Flunitrazepam pro Einzeldosis gestrichen. Ab 1. November 2011 müssen alle Flunitrazepam-haltigen Arzneimittel auf BtM-Rezepten verordnet werden. Für das neue Opioid-Analgetikum Tapentadol (Palexia®) in Anlage III wurde eine Höchstverschreibungsmenge von 18 000 mg in die BtMVV aufgenommen. Außerdem regelt die Verordnung die Versorgung schwerstkranker Patienten in der so genannten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und in stationären Hospizen. Ferner wurde die Wiederverwendungsmöglichkeit von Betäubungs-mitteln auf Notfallvorräte ausgedehnt. PZ 27/11