Dauerhafte pharmazeutische Begleitung

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Erfolg einer Arzneimitteltherapie sehr stark vom Therapieverständnis und der Therapietreue (Adhärenz) des Patienten abhängt. Doch nur jeder zweite Patient nimmt seine Medikamente während einer Langzeittherapie so ein, wie vom Arzt verordnet. Werden es mehrere Arzneimittel, verlieren die Patienten schnell den Überblick. Etwa jeder vierte Erwachsene nimmt permanent drei oder mehr Arzneimittel ein. 40 Prozent dieser Patienten geben an, Probleme mit ihrer Polymedikation zu haben. Risiken entstehen durch Wechselwirkungen, Unverträglichkeiten und unabgestimmte Selbstmedikation. Wenn Arzneimittel falsch dosiert, vergessen oder verwechselt werden, können zusätzliche Beschwerden oder Komplikationen auftreten. Das hat nicht nur nachteilige Folgen für die Gesundheit der Patienten, die Kosten belasten auch die Sozialsysteme erheblich. Schätzungsweise 250.000 Krankenhauseinweisungen gehen jährlich auf solche unerwünschten Arzneimittelwirkungen zurück.

Die Apothekerschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern. Dazu braucht es einen kompletten Überblick über alle haus­ und fachärztlich verordneten Medikamente sowie die rezeptfreie Selbstmedikation des Patienten. Unerlässlich ist auch ein Netzwerk aus Ärzten und Apothekern, um patientenbezogene Informationen auszutauschen und Medikationsprobleme zu erörtern. Außerdem muss der Patient in seiner Medikation eng begleitet und betreut werden.

Wie ein solches Betreuungsnetzwerk funktionieren kann, zeigt das Modellprojekt ARMIN („Arzneimittelinitiative Sachsen­-Thüringen“), an dem die Apothekerverbände und die Kassenärztlichen Vereinigungen von Sachsen und Thüringen gemeinsam mit der Krankenkasse AOK PLUS arbeiten. Arzt und Apotheker sind in diesem Projekt über eine gemeinsame IT-­Struktur verbunden und betreuen chronisch kranke Patienten mit Polymedikation. Zunächst erfasst der Apotheker gemeinsam mit dem Patienten die gesamte Medikation, vom Kassenrezept über die Privatverordnung bis hin zum selbst gekauften Arzneimittel. Die Arzneimittel werden im Standardformat des bundeseinheitlichen Medikationsplans erfasst. Dieser Plan ist auf einen Server geladen und wird im Zusammenspiel zwischen Hausarzt und Apotheker überprüft und optimiert. Im Rahmen dieses Medikationsmanagements kann teilweise die Zahl der einzunehmenden Medikamente deutlich reduziert werden. Neben­ und Wechselwirkungen von Medikamenten können durch das Festlegen bestimmter Einnahmezeitpunkte minimiert werden. Befinden und Therapieverständnis der Patienten, die nun über einen stets aktuellen und korrekten Medikationsplan verfügen, werden gesteigert. Die verbesserte Form der Zusammenarbeit wird sowohl von Ärzten als auch Apothekern als sehr positiv empfunden. Das Projekt wurde von unabhängiger Stelle hinsichtlich des Datenschutzes geprüft.

In ARMIN wurden bisher mehr als drei Millionen Verordnungen ausgestellt. Rund 3.500 Patienten werden aktuell im Medikationsmanagement betreut. Im nächsten Schritt wird es eine breit angelegte Evaluierung des Projektes geben. Ziel bleibt es, ein Medikationsmanagement nach dem Muster von ARMIN bundesweit allen Menschen mit Polymedikation zur Verfügung stellen zu können.

Alle Apotheken, Ärzte, Zahnärzte, Kliniken, Psychotherapeuten und Krankenkassen in Deutschland sicher miteinander zu vernetzen, um die Versorgung der Versicherten zu verbessern – das ist das Ziel der Telematik­-Infrastruktur, an deren Einführung seit einigen Jahren gearbeitet wird. Sie ist eines der anspruchsvollsten IT­-Projekte der Welt, betrifft sie doch mehr als 72 Millionen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und über 170.000 Akteure im deutschen Gesundheitswesen. Die Infrastruktur ist Voraussetzung für unterschiedliche Anwendungen, die nach und nach implementiert werden.

Eine dieser Anwendungen ist der elektronische Medikationsplan (eMP), für dessen Realisierung die Apothekerschaft im Rahmen ihrer Fachkompetenz für Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) gemeinsam mit der Bundesärztekammer federführend ist. In der Anwendung eMP / AMTS werden neben den aktuellen Daten zur Medikation auch weitere Informationen zur Verbesserung der AMTS, wie beispielsweise eine Medikationshistorie, strukturiert zur Verfügung stehen. Für eine erste Stufe wurde festgelegt, dass die Daten ausschließlich lokal auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) des Patienten gespeichert werden. Damit ist der aktuelle Medikationsplan stets verfügbar und kann bei Bedarf auch ausgedruckt werden.

Um maximale Sicherheit bei sensiblen Gesundheitsdaten zu gewährleisten, basiert der Datenzugriff in der Telematik­-Infrastruktur aber immer auf einem Zwei­-Schlüssel-­Prinzip. Die eGK des Patienten fungiert als erster Schlüssel. Der zweite Schlüssel ist in der Hand des jeweiligen Heilberuflers. Werden beide zusammen angewendet, können Informationen aus dem Container auf der eGK des Versicherten in einer gesicherten Umgebung, beispielsweise in einer Arztpraxis oder Apotheke, abgerufen und entschlüsselt werden.

Jeder Apothekeninhaber, der in einer Offizin an der Versorgung teilnimmt und beispielsweise einen eMP einsehen oder ergänzen will, wie dies laut Gesetz ab 2019 flächendeckend vorgesehen ist, benötigt deshalb einen Heilberufsausweis (HBA) zum Zugriff auf die Daten. Damit auch Mitarbeiter von Apotheken im Rahmen der pharmazeutischen Versorgung auf die Daten der Versicherten zugreifen können, gibt es eine Institutionskarte, die auch Security Module Card Typ B (SMC­B) genannt wird. Zur Anbindung an die Telematik­-Infrastruktur benötigt die Apotheke schließlich noch einen zertifizierten eHealth-­Konnektor. Nur so ist die Apotheke sicher verbunden und die Übertragung der hochsensiblen Daten kann erfolgen.