Lieferengpässe bei Arzneimitteln

Immer wieder kommt es vor, dass Großhändler oder Hersteller den Apotheken einzelne Arzneimittel kurzfristig nicht zur Verfügung stellen können. Man spricht dann von einem Lieferengpass. Ist ein bestimmtes Medikament eines bestimmten Herstellers nicht lieferbar, kann es zum Glück oft durch ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Herstellers ersetzt werden, ohne dass die Arzneimitteltherapie des Patienten beeinträchtigt wird. Gibt es allerdings keine gleichwertigen Alternativen und kann der Patient nicht angemessen versorgt werden, kann aus dem Lieferengpass ein Versorgungsengpass werden.

Lieferengpässe gehören in Deutschland leider schon seit einigen Jahren zum Alltag. Die Ursachen dafür sind vielschichtig und liegen unter anderem in den Strukturen der stark globalisierten und spezialisierten Arzneimittelherstellung. Für manche Wirkstoffe gibt es nur noch wenige Hersteller weltweit. Produktionsausfälle, Qualitätsprobleme in einer einzelnen Anlage oder Lieferprobleme bei Randprodukten (z.B. Papier für die Verpackung) können dann bereits ausreichen, um die Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten in Europa zu gefährden. Von Lieferengpässen sind laut einer 2024er Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland jeden Monat rund drei Millionen Menschen betroffen.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) pflegt kontinuierlich eine Lieferengpassliste für wichtige Arzneimittel. Es definiert Lieferengpässe dabei als „eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann“. Diese Liste beruht allerdings auf freiwilligen Meldungen der Hersteller für rezeptpflichtige Medikamente, so dass das wahre Ausmaß der Lieferengpässe noch weit größer dürfte. Zudem veröffentlicht das BfArM eine Liste für essentielle Kinderarzneimittel, die möglicherweise einer angespannten Versorgungssituation unterliegen („Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel“). Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wiederum unterhält eine Liste für Impfstoffe. Das BfArM hat einen regelmäßig tagenden Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen eingerichtet, zu dessen Teilnehmerkreis auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) gehört.

Das Management von Lieferengpässen ist für Apotheken mit erheblichem Aufwand verbunden. Laut Apothekenklima-Index 2024 wendet jedes Apothekenteam im Durchschnitt zwischen 20 und 30 Stunden pro Woche dafür auf. Die Apothekenteams arbeiten täglich daran, dass aus Lieferengpässen bei einzelnen Medikamenten keine Versorgungsengpässe für ganze Patientengruppen entstehen. Wenn ein bestimmtes Präparat nicht verfügbar ist, muss der Apotheker ein wirkstoffgleiches Medikament beschaffen – womöglich in einer anderen Packungsgröße, Wirkstärke oder Darreichungsform. Die Apotheke muss dann mit dem Hersteller telefonieren oder Abfragen bei mehreren Großhändlern starten. Oder die Apotheke muss sogar mit dem Arzt wegen eines gänzlich neuen Rezeptes für einen anderen Wirkstoff in Kontakt treten. Schließlich soll und darf kein Patient unversorgt bleiben.

Die Apothekerschaft fordert deshalb schon seit langem mehr Handlungsfreiheiten vom Gesetzgeber ein - entweder durch den unbürokratischen Wechsel auf Präparate mit gleichem Wirkstoff (aut idem) oder auf therapeutisch vergleichbare Alternativen (aut simile). Wichtig ist auch, dass die Apotheken nicht retaxiert werden (Rechnungskürzungen) und für das Management der Lieferengpässe eine ausreichende Vergütung bekommen. Im Rahmen des Zusammenschlusses der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU) setzen sich Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker auch auf europäischer Ebene dafür ein, dass globale Produktionsprozesse und Lieferketten stabiler, sicherer und transparenter werden.

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