E-Rezept: Interview mit DAV-Vorstandsmitglied Anke Rüdinger

Im Dezember 2021 hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die deutschlandweite Pflichteinführung des E-Rezeptes ab 1. Januar 2022 vorerst gestoppt – und die Testphase auf das laufende Jahr 2022 ausgedehnt. Am 31. Mai 2022 soll nun eine eigens einberufene Gesellschafterversammlung der gematik GmbH einen Beschluss zur schrittweisen Einführung des E-Rezeptes fassen. Demnach soll für alle Apotheken in ganz Deutschland das E-Rezept ab 1. September 2022 zur Pflicht werden. Für den ABDA-Newsroom befragte dazu Christian Splett, Stellvertretender Pressesprecher der ABDA und des DAV, die Apothekerin Anke Rüdinger, DAV-Vorstandsmitglied und Leiterin des Digital Hub der ABDA.

Christian Splett: Frau Rüdinger, wie sicher ist es, dass das E-Rezept am 1. September 2022 kommt?

Anke Rüdinger: Ich gehe davon aus, dass der Beschluss am 31. Mai gefasst wird. Das Bundesgesundheitsministerium hat schließlich einen 51-prozentigen Stimmenanteil in der Gesellschafterversammlung. Dass demnach alle Apotheken zum 1. September für das E-Rezept bereit sein müssen, ist zweifellos eine große Herausforderung für unseren Berufsstand. Es müssen aber auch E-Rezepte in den Apotheken ankommen. Hier wird es auf die Abfolge der Bundesländer ankommen, in denen Ärzte und Zahnärzte ab 1. September 2022, 1. Dezember 2022 oder 1. Februar 2023 zum Ausstellen elektronischer Verordnungen verpflichtet werden sollen. Ob die Versicherten dann auch alle schon NFC-fähige Gesundheitskarten von ihren Krankenkassen erhalten und die E-Rezept-App der gematik installiert haben, ist noch eine andere Frage. Ich schätze, wir werden noch sehr viele Papierausdrucke von E-Rezepten in den Apotheken sehen.
 
Christian Splett: Frau Rüdinger, wozu braucht man einen Referenzvalidator – und warum hat der DAV so vehement auf dessen Einführung bestanden?

Anke Rüdinger: Es freut mich sehr, dass die Gesellschafterversammlung der gematik den Referenzvalidator für die Telematik-Infrastruktur bereits verbindlich beschlossen hat. Das war und ist ein großes Anliegen des DAV, von dessen Bedeutung wir zum Glück auch andere Gesellschafter haben überzeugen können. Der Referenzvalidator ist eine Prüfsoftware, die letztlich das Risiko von Retaxationen bei E-Rezepten für die Apotheken erheblich senken wird. Er wird sicherstellen, dass nur technisch korrekte und zur Arzneimittelverschreibungsverordnung passende E-Rezepte in den Fachdienst der TI eingestellt und dort weiterverarbeitet werden. Da der Referenzvalidator voraussichtlich erst im November 2022 zum Einsatz kommen kann, haben wir das Bundesgesundheitsministerium gebeten sicherzustellen, dass auch bis dahin keine Retaxationen von den Krankenkassen aus technischen Gründen erfolgen dürfen.

Chrisitan Splett: Frau Rüdinger, was sollten die Apotheken jetzt noch unbedingt tun, um sich auf den 1. September 2022 vorzubereiten?
 
Anke Rüdinger: Die Apotheken sind E-Rezept-ready. Sie haben sich Institutionskarten, Heilberufsausweise, Konnektoren, Scanner und Kartenlesegeräte angeschafft. Auch sind die allermeisten Apotheken auf „Mein Apothekenportal“ gelistet, damit ihre Daten in die E-Rezept-App der gematik transferiert werden können. Schon jetzt muss sich jeder Inhaber und jede Inhaberin aber auch selbstkritisch fragen, ob und welche Meilensteine noch zu bewältigen sind, um ab 1. September 2022 E-Rezepte versorgen zu können. Diese können gegebenenfalls auch außerhalb ihres eigenen Verantwortungsbereiches liegen. Wie weit ist das eigene Apothekensoftwarehaus bei der Installation und Freischaltung des E-Rezept-Moduls? Welche Schulungen für welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind noch zu absolvieren – und welche Termine im Sommer kommen dafür in Frage? Mein Rat an alle Apotheken: Sprechen Sie jetzt Ihr Softwarehaus an, dann sind wir spätestens bis 1. September alle bereit!

Christian Splett: Vielen Dank, Frau Rüdinger!