GKV-Spargesetz gefährdet Versorgung

Das von der Bundesregierung geplante Finanzstabilisierungsgesetz für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die darin vorgesehenen Belastungen für Apotheken rücken immer näher. Die kommenden Tagungswochen im Bundestag werden über die endgültigen Inhalte des Gesetzes entscheiden. Es bleibt also nur noch wenig Zeit, um die Abgeordneten mit fundierten Argumenten, kompetenten Stellungnahmen und sachorientierten Gesprächen über die Schwächen des Kabinettsentwurfs zu informieren und Änderungen vorzuschlagen.

Schon als im Frühjahr dieses Jahres der erste Referentenentwurf dieses Spargesetzes an die Öffentlichkeit kam, war klar, dass es in die falsche Richtung geht. Auch der seitdem mehrfach überarbeitete und nun dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf schwächt das Arzneimittelversorgungssystem in Deutschland und widerspricht dem Anspruch des Koalitionsvertrages der Ampel-Regierung, die Apotheken vor Ort zu stärken. Die 18 000 freiberuflich geführten Apotheken sind ein in der Fläche verankerter Leistungserbringer, der neben der Verantwortung für die Arzneimittelversorgung vielfältige soziale und infrastrukturelle Aufgaben innehat.

Um das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) prognostizierte GKV-Finanzloch von mindestens 17 Mrd. Euro jährlich zu stopfen, soll nämlich auch der Apothekenabschlag nach § 130 SGB V für die Dauer von zwei Jahren von derzeit 1,77 Euro je rezeptpflichtigem Arzneimittel um knapp 13 Prozent auf 2,00 Euro erhöht werden. So würde den Apotheken eine weitere Kürzung ihres Honorars um netto 240 Mio. Euro für diese 2 Jahre drohen.

Inflation senkt Vergütung

Die Einsparungen bei den Kassen liegen im Jahr bei etwa 140 Mio. Euro und sind somit kaum spürbar, setzt man sie ins Verhältnis zum Finanzloch von 17 Mrd. Euro. Aber die ohnehin angespannte Lage der Apotheken wird dadurch erheblich geschwächt. Die Vergütung der Apotheken ist seit vielen Jahren eingefroren, während die Kosten steigen: Der variable Vergütungsbestandteil für verschreibungspflichtige Arzneimittel beträgt seit 2004 unverändert 3,0 Prozent vom Apothekeneinkaufspreis. Der Fixzuschlag wurde zuletzt 2013 von 8,10 auf 8,35 Euro erhöht - und seitdem nicht mehr angepasst. Auf diese Weise bedeutet bereits eine geringe Inflation über ein Jahrzehnt hinweg eine erhebliche Absenkung der realen Vergütung. Bei nun auch noch rasant steigenden Energie- und Lohnkosten verschärft sich die Lage weiter.

Dabei sind die Apotheken überhaupt keine Kostentreiber im System. Von 2005 bis 2021 ist ihr Anteil an den GKV-Gesamtausgaben von 2,8 auf nur noch 1,9 Prozent gefallen. Das ist weniger als die Hälfte der GKV-Verwaltungsausgaben (4,1 Prozent). Das durchschnittliche GKV-Teilbetriebsergebnis ist von 84.000 im Jahr 2019 sogar auf 79.000 Euro im Jahr 2021 gefallen. Und das aufwendige Erfüllen der Rabattverträge durch Apotheken schafft für die Krankenkassen weitere Einsparungen von 5,1 Mrd. Euro (2021). Nun bei den Apotheken weitere Kürzungen vorzunehmen, entbehrt also jeder rationalen Grundlage.

Bei einer Dichte von nur noch 22 Apotheken pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (EU-Durchschnitt: 32) müssen Apothekerinnen und Apotheker den Hausärztinnen und -ärzten gleichgestellt werden: wir leisten neben der ambulanten Gesundheitsversorgung auch wichtige soziale Aufgaben vor Ort und sind eine wichtige Infrastruktursäule. Als kleine, flexible Einheiten vor Ort haben die Apotheken gerade in den vergangenen Corona-Jahren ihre enorme Resilienz unter Beweis gestellt. Statt eine „Versorgung light“ durch teure Gesundheitskioske neu einzuführen, sollte die Politik in Berlin lieber die bestehenden lokalen Strukturen stärken. Der Verzicht auf die Erhöhung des Apothekenabschlags wäre ein erster Schritt in diese Richtung.

(Autorin: ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, "apothekenmarkt“ (Kohlpharma) als PZ-Beilage am 22.9.2022)

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