PZ 22/12 Isotretinoin und chronisch-entzündliche Darmkrankheiten
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) berichtet im Deutschen Ärzteblatt 109 (2012) vom 18. Mai über einen möglichen Zusammenhang zwischen einer oralen Aknebehandlung mit Isotretinoin und der Entwicklung einer Colitis ulcerosa. Das Vitamin-A-Derivat Isotretinoin ist zugelassen zur oralen Behandlung von Patienten mit schweren Formen der Akne. 2010 wurden 6 Millionen Tagesdosen verordnet; dies entspricht einer Steigerung von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Einnahme von Isotretinoin und dem Auftreten einer chronisch-entzündlichen Darmkrankheit (CED: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) wird seit Jahren diskutiert. Zwei Fallkontrollstudien zu dieser Frage kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Untersuchung von Patientendaten aus Kanada fand bei 1960 CED-Fällen und mehr als 19 000 Kontrollen keinen Zusammenhang mit der Anwendung von Isotretinoin. Hingegen zeigte eine Studie anhand der Daten von 55 Millionen US-Amerikanern nach Einnahme von Isotretinoin ein deutlich erhöhtes Risiko für Colitis ulcerosa, nicht aber für Morbus Crohn. Dabei war das Risiko mit der Dosis von Isotretinoin und der Therapiedauer positiv korreliert, was den Verdacht auf einen kausalen Zusammenhang unterstützt. Darüber hinaus bestätigte sich das Ergebnis bei zusätzlichen statistischen Analysen, mit denen Verzerrungen, zum Beispiel durch falsche Diagnose einer CED oder Akne, vermindert werden sollten. Ebenfalls ausgeschlossen wurde ein von einer Isotretinoin-Gabe unabhängiger Zusammenhang zwischen Akne und CED. Bei einer Inzidenz von zehn Colitis-ulcerosa-Fällen pro 100 000 Patientenjahren lässt sich anhand der Ergebnisse eine Number needed to harm von 2977 berechnen. Dies bedeutet, bei Behandlung von 2977 Patienten mit oralem Isotretinoin müsste mit einem zusätzlichen Fall von Colitis ulcerosa gerechnet werden. Ein möglicher Risikofaktor könnte auch die mehrfache Verordnung von Antibiotika in den beiden Jahren vor Diagnose sein. Dies zeigt auch eine kürzlich publizierte Studie, die ebenfalls mit den Daten aus Kanada durchgeführt wurde. Insofern wäre die Antibiotika-Einnahme, die bei Akne durchaus üblich ist, ein potenzieller Störfaktor (Confounder) bei den beiden oben dargestellten Untersuchungen. Der AkdÄ wurde der Fall eines 19-jährigen Mannes berichtet, der wegen einer Akne vulgaris über sechs Monate mit 10 mg Isotretinoin täglich behandelt wurde. Nach dem Ende der Therapie wurde eine Pancolitis mit ausgeprägter entzündlicher Aktivität, histologisch eine mittelgradige chronische und aktive Pancolitis mit Schleimhauthyperplasie und Erosionen diagnostiziert. Unter einer Kortikoid-Stoßtherapie mit rascher Dosisreduktion kam es nur kurzzeitig zur Remission. Nach sechs Monaten zeigte eine Koloskopie den typischen Befund einer Pancolitis ulcerosa, so dass eine systemische Therapie mit Mesalazin und Budesonid begonnen wurde. Darunter ist der Patient klinisch in Remission. Eine kausale Assoziation zwischen einer Isotretinoin-Behandlung und der Entwicklung einer Colitis ulcerosa muss durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. Der zugrunde liegende Pathomechanismus ist unklar. In der Fachinformation von Isotretinoin werden Colitis, Ileitis, gastrointestinale Blutungen, hämorrhagische Diarrhö und entzündliche Darmerkrankung als sehr seltene Nebenwirkungen genannt. Patienten sollten nach Auffassung der AkdÄ vor Beginn einer Behandlung mit Isotretinoin über diese mögliche Assoziation informiert und über die Symptomatik einer Colitis ulcerosa aufgeklärt werden. Quelle
AkdÄ: Isotretinoin und chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Aus der UAW-Datenbank).
Deutsches Ärzteblatt 109 vom 18. Mai 2012 (www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/Archiv/2012/201205181.pdf)