Abgabe von Chemikalien
Abgabe von Chemikalien
In der Apotheke ist zwischen der Abgabe von Arzneimitteln, die Gefahrstoffe enthalten, und der Abgabe von Chemikalien zu unterscheiden. In einigen Fällen kann der Verwendungszweck ausschlaggebend sein. Zulassungspflichtige Fertigarzneimittel, Defektur- und Rezepturarzneimittel sind von gefahrstoffrechtlichen Vorschriften zur Verpackung und Kennzeichnung ausgenommen.

Wird in der Apotheke eine Chemikalie abgegeben, sind folgende Vorschriften zu beachten:
Verordnung (EU) 2019/1148 über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe
Vorschriften zur Grundstoffüberwachung (Grundstoffüberwachungsgesetz, Verordnung (EG) 111/2005 und Verordnung (EG) 273/2004)
Für die Abgabe von Chemikalien in der Apotheke gibt es keinen Kontrahierungszwang. Sofern sich die Apotheke entscheidet, Chemikalien abzugeben, ist jedoch auf die erforderliche Sachkunde und auf die Einhaltung der chemikalienrechtlichen Vorgaben sowie auf die Regelungen zur Grundstoffüberwachung zu achten.
Chemikalienverbotsverordnung
Die Chemikalien-Verbotsverordnung (zum Verordnungstext) regelt Beschränkungen und Verbote beim Inverkehrbringen und bei der Abgabe von bestimmten gefährlichen Stoffen oder Gemischen, sowie Erzeugnissen, die solche gefährlichen Stoffe freisetzen können.
In den untenstehenden Tabellen zur Abgabe von Chemikalien werden die Beschränkungen und Verbote und die mit der Abgabe für die Apotheke verbundenen Verpflichtungen berücksichtigt. Darüber hinaus sind insbesondere folgende Regelungen zu beachten:
Sachkundenachweis für die Abgabe
Apotheker und Angehörige des pharmazeutischen Personals (Apotheker, Apothekerassistent, Pharmazieingenieur, PTA, Apothekenassistent) sind aufgrund ihrer Ausbildung umfassend sachkundig gemäß § 11 Abs. 1 ChemVerbotsV, müssen jedoch entsprechend der Neuregelung den Nachweis der Sachkunde regelmäßig erneuern, entweder
- nach einer halbtägigen Fortbildung (4 Stunden) durch eine erneute Fortbildung nach 3 Jahren oder
- nach einer eintägigen Fortbildung (8 Stunden) durch eine erneute Fortbildung nach 6 Jahren
Apotheker und Angehörige des pharmazeutischen Personals haben mit ihrer Ausbildung die umfassende Sachkunde erworben, die neben dem Chemikalienrecht auch das Pflanzenschutz- und das Biozidrecht umfasst. Die Sachkunde verfällt nicht, sondern kann durch den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung verlängert werden. Wird die Sachkunde also nicht rechtzeitig erneuert, ist trotzdem keine erneute Sachkundeprüfung, sondern lediglich der Besuch einer Fortbildungsveranstaltung erforderlich. In der Zwischenzeit ist jedoch die Abgabe von Stoffen und Gemischen, die unter die Anlage 2 ChemverbotsV fallen, verboten.
Der Nachweis ist seit dem 1. Juni 2019 vom pharmazeutischen Personal mit einer Qualifikation, die mehr als 6 Jahre zurückliegt, zu erbringen, wenn die- oder derjenige in der Apotheke Chemikalien abgibt, die unter die Anlage 2 der Chemikalienverbotsverordnung fallen. Dazu gehören beispielsweise Gifte (gekennzeichnet mit GHS06), CMR-Stoffe Kat. 1A/1B, brandfördernde Stoffe (GHS03) und bestimmte entzündbare oder explosive Stoffe.
Der Sachkundenachweis ist z. B. für die Abgabe von Methanol (GHS06), Diethylether (H224), Kaliumnitrat (GHS03) und Kaliumpermanganat (GHS03) erforderlich. Bei der Abgabe an einen berufsmäßigen Verwender muss der/die Abgebende nicht zwingend selbst die Sachkunde besitzen, muss jedoch gemäß § 8 Abs. 2 ChemVerbotsV von einer Person, die sachkundig ist, über die Eigenschaften der abzugebenden Stoffe und Gemische und über die mit ihrer Verwendung verbundenen Gefahren und über die einschlägigen Vorschriften belehrt worden, mind. 18 Jahre alt und zuverlässig sein. Viele Stoffe und Gemische, die nicht unter die Anlage 2 ChemVerbotsV fallen, wie Ethanol, Ammoniaklösung, verschiedene Säuren und Wasserstoffperoxid bis 12%, dürfen jedoch auch in Zukunft ohne Sachkundenachweis abgegeben werden.
In den Dokumenten zur Abgabe von Chemikalien an private Verwender und an Wiederverkäufer, berufsmäßige Verwender und öffentliche Forschungs-, Untersuchungs- und Lehranstalten (siehe Downloads am Ende der Seite) gibt die Fußnote 2 in beiden Dokumenten einen Hinweis darauf, dass der Abgebende bei dieser Chemikalie die nötige Sachkunde besitzen muss.
Mitteilungspflichten bei gefährlichen Gemische und Bioziden / Erstellen von UFI-Codes
Stellt die Apotheke Gemische (auch wässrige Verdünnungen) mit gefährlichen Eigenschaften oder Biozide selbst her oder füllt diese in kleinere Gebinde ab, besteht eine Mitteilungspflicht beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das BfR leitet die Produktinformationen an alle deutschen Giftinformationszentren der Länder weiter. Diese Informationen sind dort erforderlich, um im Vergiftungsfall das Gemisch schnell identifizieren zu können.
Seit 01.01.2021 ist zusätzlich zu den bisher mitzuteilenden Daten und Informationen über das gefährliche Gemisch oder Biozid ein eindeutiger Produktidentifikator (UFI-Code) mitzuteilen. UFI steht für Unique Formula Identifier und ist ein 16-stelliger Code, der auf dem Etikett eines Gemisches anzugeben ist, um eine eindeutige Verbindung zwischen dem in Verkehr gebrachten Gemisch und den zur Beantwortung von Anfragen in medizinischen Notfällen bereitgestellten Informationen herzustellen.
Für die Herstellung/Verdünnung chemischer Gemische oder Biozide zur rein innerbetrieblichen Anwendung, z. B. als Prüfreagenz oder Laufmittel, sowie für Rezepturarzneimittel und In-vitro-Diagnostika besteht keine Mitteilungspflicht an das BfR.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Abgabe von Wasserstoffperoxid-Lösung
Wasserstoffperoxid ist ein regulierter Ausgangsstoff gemäß Verordnung (EU) 2019/1148. In Konzentrationen über 12 % handelt es sich um einen beschränkten Ausgangsstoff gemäß Anhang I dieser Verordnung, der nicht (auch nicht in Gemischen) an private Endverbraucher abgegeben werden darf. Hintergrund dieser Regelung ist die missbräuchliche Verwendung von Wasserstoffperoxid für die Herstellung von Triacetontriperoxid (TATP), einem Sprengstoff, der in der Terrorszene Verwendung findet.
Die Abgabe von Wasserstoffperoxid-Lösungen über 12 Prozent an berufliche Verwender ist zulässig, sofern die berufliche oder gewerbliche Verwendung im jeweiligen Einzelfall plausibel gemacht werden kann. Die Anforderungen an den Nachweis der beruflichen oder gewerblichen Verwendung ergeben sich aus der Verordnung (EU) 2019/1148.
In Artikel 8 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EU) 2019/1148 heißt es:
Um sich zu vergewissern, dass es sich bei dem potenziellen Kunden um einen gewerblichen Verwender oder einen anderen Wirtschaftsteilnehmer handelt, ersucht der Wirtschaftsteilnehmer, der einen beschränkten Ausgangsstoff für Explosivstoffe einem gewerblichen Verwender oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer bereitstellt, bei jeder Transaktion um folgende Informationen, es sei denn, die entsprechende Überprüfung des potenziellen Kunden liegt höchstens ein Jahr vor dem Tag der Transaktion zurück und die Transaktion weicht nicht wesentlich von vorhergehenden Transaktionen ab:
a) einen Identitätsnachweis der zur Vertretung des potenziellen Kunden berechtigten Person;
b) die gewerbliche, unternehmerische oder berufliche Tätigkeit des potenziellen Kunden sowie Name des Unternehmens, Anschrift und Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer oder jede andere relevante Unternehmenseintragungsnummer, soweit vorhanden;
c) die beabsichtigte Verwendung der beschränkten Ausgangsstoffe für Explosivstoffe durch den potenziellen Kunden.
Für die Erklärung des Kunden kann das Muster nach Anhang IV der Verordnung (EU) 2019/1148 verwendet werden.
Zur Überprüfung der beabsichtigten Verwendung des beschränkten Ausgangsstoffs für Explosivstoffe ist zu beurteilen, ob die beabsichtigte Verwendung mit der gewerblichen, unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeit des potenziellen Kunden übereinstimmt. Die Abgabe kann verweigert werden, wenn berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Verwendung oder der Absicht des potenziellen Kunden bestehen, den beschränkten Ausgangsstoff für Explosivstoffe zu einem rechtmäßigen Zweck zu verwenden. In diesen Fällen ist eine solche Transaktion oder eine solche versuchte Transaktion gemäß Artikel 9 Abs. 1 Explosivgrundstoffverordnung dem zuständigen Landeskriminalamt zu melden.
Die Dokumentation (Kundenerklärung) ist 18 Monate ab dem Datum der Transaktion aufzubewahren. Während dieses Zeitraums sind die Informationen den zuständigen nationalen Inspektions- oder Strafverfolgungsbehörden auf Verlangen zur Prüfung zur Verfügung zu stellen.
Wird von einem beruflichen Verwender Wasserstoffperoxid-Lösung in einer Konzentration ≥ 50 % verlangt, sind aufgrund der Gefahreneigenschaften zusätzliche Regelungen der Chemikalienverbotsverordnung zu beachten. Nach Auskunft des Bundesministeriums des Innern kann das Bleichen von Geweihen eine berufliche Tätigkeit im Rahmen des Jägerberufs sein, wenn der Jäger diese Tätigkeit für den Dienstherren ausführt. Die meisten privat tätigen Jäger besitzen jedoch keinen Gewerbeschein, so dass ihnen nur noch die Wasserstoffperoxid Lösung in einer Konzentration bis 12 Prozent für diese Zwecke zur Verfügung steht. Dies reicht jedoch nach Expertenmeinung völlig aus (siehe nachfolgender Text).
Bleichen von Geweihen und Gehörnen
Bisher haben Jäger in öffentlichen Apotheken Wasserstoffperoxid Lösung zum Bleichen von Geweihen und Gehörnen üblicherweise in einer Konzentration von 30 Prozent nachgefragt. Dies ist jedoch nach Auskunft des Veterinäranatomischen Instituts der Universität Leipzig für den gewünschten Zweck nicht erforderlich.
Hoch konzentrierte Wasserstoffperoxidlösung schädigt den Knochen, so dass er kreidig wird. Außerdem ist es ein Irrglaube, dass eine hochkonzentrierte Lösung den Knochen entfetten würde. Im Veterinäranatomischen Institut der Universität Leipzig wird deshalb für das Bleichen von Knochen Wasserstoffperoxid in 3-5 %iger handwarmer bis kalter Lösung verwendet. Die gebrauchsfertige Lösung kann zwei- bis dreimal verwendet werden. Ob diese noch eine oxidierende Wirkung besitzt, erkennt man an einer Bläschenbildung in Metall- oder Aluminiumgefäßen bzw. Schöpfkellen. Der Knochen des Gehörns kann auch in flüssigkeitsgetränkter Watte bis zu den Rosettenstielen eingepackt werden, so dass der Flüssigkeitsstand im Gefäß nicht bis zu den Rosetten reichen muss. Dies ist ohnehin zu vermeiden, da die Rosetten dann auch an den Unterseiten entfärbt werden. Als Literaturquelle für diese Aussagen und für alle Jäger, die nachlesen wollten, hier noch zwei Standardwerke:
- Kellermann Kurt: Trophäen- und Tierpräparationen. Jahr-Verlag & Co, Hamburg.
- Rudolf Piechocki: Makroskopische Präparationstechnik. Teil 1: Wirbeltiere: Leitfaden für das Sammeln, Präparieren und Konservieren. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart
Quelle: Information von Dr. Ilka Emmerich, VETIDATA, Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig vom 3. Mai 2017
Abgabe von CMR-Stoffen und CMR-Verdachtsstoffen
Anlage 2, Eintrag 1 ChemVerbotsV regelt unter anderem die Abgabe von CMR-Stoffen Kat. 1A und 1B auch an private Anwender. Hier ist jedoch zu beachten, dass - wie bisher - ein grundsätzliches Abgabeverbot von krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen der Kat. 1A und 1B (H340, H350, H350i, H360, H360F, H360D, H360FD, H360Fd, H360Df) besteht. Dieses Verbot ergibt sich aus § 3 Abs. 1 ChemVerbotsV und umfasst Stoffe, die in Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 REACH aufgelistet sind (siehe dort Nr. 28, 29, 30). Dagegen gibt es in der neuen ChemVerbotsV keine Regelungen zur Abgabe von CMR-Verdachtsstoffen (H341, H351, H361+ Buchstaben).
Übersicht der Vorschriften für die Abgabe an private Endverbraucher sowie an berufsmäßige Verwender finden Sie in den Tabellen am Ende der Seite.
Gefahrstoffverordnung
Gemäß § 4 GefStoffV vom 15. November 2016 hat die Apotheke gefährliche Stoffe und Zubereitungen entsprechend zu kennzeichnen, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Die Kennzeichnung richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen.
Informationen über die Einstufung und Kennzeichnung sind dem Sicherheitsdatenblatt des Herstellers zu entnehmen (siehe Links zu den Herstellern).
Unabhängig von den Vorschriften der CLP-Verordnung sind Name, Anschrift und Telefonnummer der Apotheke, die Menge des Inhalts und die EG-Nummer auf dem Etikett anzugeben.
Zu den Kennzeichnungselementen nach GHS kommen sie hier.
Bei der Abgabe von Zubereitungen/Gemischen, die nach den alten Regelungen als giftig (T), sehr giftig (T+) oder ätzend (C) eingestuft sind, war bisher eine schriftliche Gebrauchsanweisung mitzugeben. Diese Regelung findet sich in der EG-CLP-Verordnung nicht wieder und ist auch in der Gefahrstoffverordnung weggefallen.
Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung)
Diese Verordnung regelt die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen. Zu den Kennzeichnungselementen kommen Sie hier.
Neben den Vorgaben zur Einstufung und Kennzeichnung enthält diese Richtlinie Regelungen zur besonderen Kennzeichnung und Verpackung. Dazu gehören:
- tastbare Gefahrenhinweise,
- kindergesicherte Verschlüsse,
- vereinfachte Kennzeichnung kleiner Gefäße bis einschließlich 125 ml
Die Vorschriften gelten für eine Vielzahl von Gefahrenkategorien. Eine Übersicht zur Verwendung des tastbaren Gefahrenhinweises und des kindergesicherten Verschlusses finden Sie hier oder am Ende dieser Seite. Eine Übersicht zur reduzierten Kennzeichnung kleiner Gefäße bis 125 ml finden Sie hier oder am Ende dieser Seite.
Abgabehinweise für Biozide nach Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV)
Mit der Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV) gibt es für bestimmte Biozid-Produkte seit dem 1. Januar 2025 spezielle Abgabebestimmungen für die folgenden Produktarten:
- Produktart 7 „Beschichtungsschutzmittel“
- Produktart 8 „Holzschutzmittel“
- Produktart 10 „Schutzmittel für Baumaterialien“
- Produktart 14 „Rodentizide“ (Produkte zur Bekämpfung von Mäusen, Ratten und anderen Nagetieren durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung)
- Produktart 18 „Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden“ (Produkte zur Bekämpfung von Arthropoden (zum Beispiel Insekten, Spinnentiere und Schalentiere) durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung) und
- Produktart 21 „Antifouling-Produkte“ (Produkte zur Bekämpfung des Wachstums und der Ansiedlung von bewuchsbildenden Organismen (Mikroben und höhere Pflanzen- und Tierarten) an Wasserfahrzeugen, Ausrüstung für die Aquakultur und anderen im Wasser eingesetzten Bauten)
In den §§ 10 bis 13 ChemBiozidDV werden Regelungen zur erforderlichen Sachkunde bei Abgabe, zum Selbstbedienungsverbot, zur bestimmungsgemäßen Verwendung und zum Abgabegespräch getroffen. Unterschieden wird teilweise zwischen der Abgabe an eine Privatperson und der Abgabe an einen beruflichen Verwender. Mit Ausnahme der Regelung in § 12 Nr. 2 ChemBiozidDV in Bezug auf die Nachweisbarkeit eines durch eine sachkundige Person geführten Abgabegesprächs im Versandhandel sehen die Regelungen der ChemBiozidDV keine Dokumentationspflichten vor. Die dargestellte Tabelle soll die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften vereinfachen.
Für die Abgabe von Biozidprodukten besteht kein Kontrahierungszwang.