AMK-Infos im 2. Halbjahr 2008

Regelmäßig veröffentlicht die Geschäftstelle der AMK Listen ihrer Infos aus dem letzten Halbjahr mit dem Titel, der PZ-Fundstelle und dem Grund der Veröffentlichung. Die folgende Zusammenfassung gibt in Kürze die AMK-Infos wieder, die längerfristig von Bedeutung sein können.

Änderungen der Produktinformationen

Das BfArM hat Zulassungsänderungen für Fibrat-haltige Arzneimittel zum 1.1.2009 angekündigt. Die Anwendungsgebiete sollen beschränkt werden auf die unterstützende Behandlung einer Diät oder anderer nicht-medikamentöser Therapien bei schwerer Hypertriglyzeridämie oder gemischter Hyperlipidämie, wenn ein Statin kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird. Bei Gemfibrozil soll zusätzlich die Anwendung bei primärer Hypercholesterinämie möglich ein, wenn ein Statin kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird.

Auf EU-Ebene wurden Beschränkungen und Warnhinweise für die orale Anwendung von Norfloxacin und Moxifloxacin beschlossen: Sie sollen wegen mangelnder Wirksamkeit bei komplizierten Nierenbeckenentzündungen nicht mehr verschrieben werden. Moxifloxacin soll bei akuten bakteriellen Sinusitiden und bakteriell verursachten akuten Exazerbationen einer chronischen Bronchitis nur dann oral angewandt werden, wenn die für die Initialtherapie empfohlenen Antibiotika nicht geeignet sind oder nicht zum Therapieerfolg geführt haben. Zwar belegen Studiendaten die Wirksamkeit von Moxifloxacin bei diesen Krankheitsbildern, jedoch sind die Spontanheilungsraten hoch und die Nebenwirkungen zum Teil schwer. Auch bei ambulant erworbener Lungenentzündung soll Moxifloxacin nur noch angewandt werden, wenn die Antibiotika der ersten Wahl nicht in Frage kommen.

Die Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) als seltene, aber schwere unerwünschte Wirkung von immunsuppressiv wirkenden Arzneimitteln war mehrfach Thema von AMK-Infos. Sie wurde unter Rituximab (Mabthera®) und unter Efalizumab (Raptiva®) beschrieben. Die Produktinformationen wurden in Abstimmung mit den Behörden aktualisiert. Die PML ist eine demyelisierende Krankheit des ZNS, die durch eine Reaktivierung des sogenannten JC-Virus bei immungeschwächten Patienten hervorgerufen werden kann. Die PML führt meist zu schweren Behinderungen oder verläuft tödlich. Ihre Symptome hängen von der Lokalisation der Entmarkungsherde im ZNS ab: Lähmungen, feinmotorische Störungen, Sensibilitätsstörungen, epileptische Anfälle, Sprachstörungen, Ataxie, Sehstörungen, kognitive Beeinträchtigungen und Persönlichkeitsveränderungen sind möglich. Eine wirksame Therapie der PML existiert bislang nicht.

Das BfArM hält die Aufnahme der Wechselwirkung zwischen Ibuprofen und Acetylsalicylsäure in die Produktinformationen für nötig : Die gleichzeitige Einnahme von Ibuprofen schwächt möglicherweise die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure ab und könnte so dessen kardioprotektiven Effekt vermindern. Wegen der begrenzten Datenlage und der Unsicherheiten bei einer Extrapolation von Ex-vivo-Daten auf die klinische Situation sind derzeit keine sicheren Schlussfolgerungen möglich. Bei gelegentlicher Anwendung von Ibuprofen ist eine klinisch relevante Wechselwirkung aber nicht wahrscheinlich.

Die Firma Cephalon GmbH informierte über neue Warnhinweise in der Produktinformation zu unerwünschten Wirkungen durch Modafinil (Vigil®): Schwere Hautausschläge 1 bis 5 Wochen nach Beginn der Behandlung wurden bei Erwachsenen und Kindern berichtet. Bei den ersten Anzeichen eines Hautausschlags soll Modafinil daher nicht weiter eingenommen werden, es sei denn, der Auschlag steht sicher nicht in Zusammenhang mit Modafinil. Des Weiteren wurden Psychosen, Manien, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Suizidgedanken und aggressives Verhalten unter Modafinil  berichtet. Wenn derartige Symptome auftreten, soll Modafinil abgesetzt und die Behandlung nicht wieder aufgenommen werden. Bei Patienten mit psychiatrischer Anamnese soll Modafinil mit Vorsicht eingesetzt werden. Die Anwendung von Modafinil bei Kindern und Jugendlichen wird auf Grund fehlender Daten nicht empfohlen.

Bei den Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Felbamat, Gabapentin, Lamotrigin, Levetiracetam, Pregabalin, Topiramat, Zonisamid, Oxcarbazepin, Tiagabin, Vigabatrin, Clobazam, Clonazepam, Ethosuximid, Mesuximid, Phenytoin, Primidon, Sultiam und Kaliumbromid sind dem BfArM zufolge Änderungen in den Produktinformationen nötig, weil ein leicht erhöhtes Risiko für das Auftreten von suizidalen Gedanken und suizidalem Verhalten in Zusammenhang mit ihrer Anwendung besteht. Darüber hinaus werden zusätzliche Warnhinweise in den Produktinformationen Carbamazepin-haltiger Arzneimittel für erforderlich gehalten, um auf vorhersehbare, schwere Hautreaktionen bei bestimmten Bevölkerungsgruppen hinzuweisen. Ein stark erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Stevens-Johnson-Syndroms unter Carbamazepin-haltigen Arzneimitteln wurde bei Personen asiatischer Herkunft mit dem Allel HLA-B*1502 gefunden.

Zum 1. April 2009 werden auf Grund einer Risikobewertung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) in einem EU-Verfahren die Produktinformationen von Cabergolin- und Pergolid-haltigen Arzneimitteln geändert. Fibrotische Herzklappenveränderungen wurden besonders bei Langzeitanwendern von Dopaminagonisten des Ergolin-Typs beobachtet. Höhere Dosen oder eine höhere kumulierte Gesamtdosis von Cabergolin oder Pergolid erwiesen sich als Risikofaktoren. Die Fachinformationen von Cabergolin- und Pergolid-haltigen Produkten enthalten bereits eine Kontraindikation bei Veränderungen an Herzklappen und die Beschränkung auf eine Therapie der zweiten Wahl. Nunmehr werden zusätzlich die Tageshöchstdosen beiMorbus Parkinson auf 3 mg beschränkt und die Überwachung auf Herzklappenveränderungen verbindlich aufgenommen.

Auch die Produktinformation von Bromocriptin-, Lisurid- und Dihydroergocryptin-haltigen Arzneimitteln werden zum 1. April 2009 geändert. Unter diesen Dopaminagonisten ist das Risiko für fibrotische Ereignisse und Valvulopathien geringer als unter Cabergolin und Pergolid. Warnhinweise und Nebenwirkungen sowie gegebenenfalls die Gegenanzeigen und Dosierungsangaben werden entsprechend ergänzt.

Ruhen der Zulassung

Nachdem erst im Juli die Anwendungsbeschränkungen für Rimonabant (Acomplia®) verschärft worden waren wurde der Vertrieb im Oktober eingestellt; alle Chargen wurden zurückgerufen. Die Zulassung ruht auf Grund einer zunehmenden Anzahl von Einzelfallberichten über psychiatrische Nebenwirkungen, vor allem über depressive Verstimmungen oder Depressionen. Diese traten häufiger bei Patienten mit psychischen Krankheiten in der Anamnese auf.

Apothekenpraxis

Der Verschreibungspflicht

  • Acetylcholin zur parenteralen Anwendung und
  • Butylscopolamin zur parenteralen Anwendung.

Unter anderem auf die strengen Beschränkungen der Abgabe und Anwendung von Rezepturarzneimitteln bei Tieren und besonders bei lebensmittelliefernden Tieren wiesen in der Pharmazeutischen Zeitung Nr.32 hin.

Sildenafil unterliegt dem Patentschutz des Originalherstellers Pfizer, eine Arzneibuch-Monographie für Sildenafil existiert nicht. Aus diesem Grund kann eine Prüfung nach § 11 ApBetrO bei Sildenafil nicht durchgeführt und die erforderliche Qualität nicht nachgewiesen werden. Rezepturen mit Sildenafil dürfen daher nicht hergestellt werden. Entsprechende Angebote von Sildenafil als Rezeptursubstanz sind unseriös.

Vermeidbare Beanstandungen zu Insulin-Präparaten waren u. a. Thema einer AMK-Info in der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 35.

  • Nicht durchgängige Injektionsnadeln sind meistens verklebt. Die Kanülen sind nicht für die Wiederverwendung vorgesehen; nach wiederholter Anwendung sind sie schnell abgenutzt und verklebt. Ein Kanülenwechsel in der Apotheke reicht hier aus, um die Funktionsfähigkeit des Insulinpens wieder herzustellen. Abgenutzte Nadeln fördern auch die Entstehung von Lipodystrophien durch stärkere Verletzung des Gewebes.
  • Wenn die Nadel auf dem Pen bleibt, kann bei Temperaturschwankungen Luft angesaugt werden. Dadurch kann die Injektionsgeschwindigkeit verringert und die Dosiergenauigkeit beeinträchtigt werden. Insulinpens sollen nicht mit aufgesetzter Nadel gelagert werden.
  • Bei unsachgemäßer Lagerung an der Rückwand des Kühlschranks können die Insuline einfrieren, da dort die Kühlschlangen verlaufen.
  • Insulinsuspensionen müssen vor der Injektion ausreichend durchmischt werden, damit keine Dosierungsfehler auftreten: 20-maliges Schwenken oder Kippen wird hierfür empfohlen.
  • Verfärbungen des Insulins treten auf, wenn bei der Injektion versehentlich ein Blutgefäß getroffen und unbemerkt geringe Blutmengen aspiriert wurden. Bei korrekter subkutaner Injektion tritt dies nicht auf.
  • Minderwirkungen von Insulin auf Grund eines pharmazeutischen Qualitätsmangels sind bisher nicht bestätigt worden. Ursache einer Minderwirkung können Lipodystrophien sein, die von Patienten gern als Injektionsstelle gewählt werden, weil dort die Schmerzempfindlichkeit verringert ist. Die Insulinabsorption ist in diesen Gewebsveränderungen oft deutlich verschlechtert. Zur Vermeidung von Lipodystrophien muss die Injektionsstelle stets gewechselt werden.

Differierende Chargenbezeichnungen auf Umkarton und Blister eines Arzneimittels können darauf beruhen, dass bei der Herstellung zunächst die Bulkware mit einer Chargennummer gekennzeichnet wird. Da eine Bulkcharge in Teilmengen zu verschiedenen Packungsgrößen abgefüllt werden kann, wird der Prozess des Verpackens mit weiteren Ziffern und/oder Buchstaben versehen. Diese werden an die Chargennummer der Bulkware angehängt. Die so verlängerte Chargenbezeichnung wird auf dem Umkarton angegeben, was nicht zu beanstanden ist.

Arzneimittelabhängigkeit

Empfehlungen der AkdÄ zur Erkennung von Arzneimittelabhängigkeiten in der Bevölkerung gaben wir in der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 38 wieder. So sollen Arzneimitteln mit Abhängigkeitspotential streng indikationsbezogen und nur in kleinen, dem Krankheitsverlauf adäquaten Mengen verordnet werden. Verordnungen durch mehrere Ärzte sollen vermieden werden. Für Benzodiazepine sollten laut AkdÄ die dosisabhängigen Ausnahmeregelungen in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung gestrichen werden. Auch die privaten Krankenversicherer werden aufgefordert, Verordnungsdaten zu abhängigkeitserzeugenden Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen bzw. entsprechende Datenbanken einzurichten. Apotheken, denen auffällt, dass ein Arzneimittel mit Abhängigkeitspotential einem Patienten statt auf Kassenrezept häufiger auf Privatrezept verordnet wird, forderten wir auf, dies als Verdachtsfall eines Missbrauchs online per Berichtsbogen zu melden.

PZ 03/09